In der Erfolgsserie „Knight Rider“ aus den 1980er-Jahren war ein selbstfahrendes, mit künstlicher Intelligenz ausgestattetes Auto noch Science-Fiction. Inzwischen ist aus dieser Vision aber Wirklichkeit geworden. Viele Fahrzeuge verfügen bereits über hochintelligente Systeme, die ein automatisiertes oder sogar autonomes Fahren ermöglichen. Darauf reagiert auch die Politik: Am 10. Februar 2021 hat das Bundeskabinett einen Referentenentwurf zum autonomen Fahren des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) gebilligt und im Anschluss dem Deutschen Bundestag und Bundesrat zugeleitet. Das Gesetz soll bis Mitte 2021 beschlossen werden. Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, vollautomatisierte Fahrzeuge bis zum Jahr 2022 im Regelbetrieb zuzulassen. Mit diesem Gesetz wäre Deutschland das erste Land der Welt, das einen gesetzlichen Rahmen für eine solche Zulassung ermöglichte. Doch es ist nur als Übergangslösung gedacht. Deutschland strebt harmonisierte Regelungen auf europäischer und internationaler Ebene an.

Teil-, hoch-, vollautomatisiert oder autonom

Das automatisierte Fahren ist gemäß einer Kategorisierung der „Society of Automotive Engineers“ (SAE) in die Stufen 1 bis 5 unterteilt, die sich aufsteigend nach dem Grad der Übernahme der Fahraufgabe durch Fahrzeugsysteme voneinander unterscheiden. Während Fahrzeuge der Stufe 1 lediglich über Assistenzsysteme verfügen, ermöglicht das teilautomatisierte Fahren (Stufe 2) bereits eigenständige Fahrmanöver wie das automatische Parken. Fahrzeuge der Stufe 3 können mehr: Sie übernehmen selbstständige Fahrleistungen wie Bremsen, Lenken, Spurwechsel oder Überholen. Die für Stufe 3 erforderlichen Rahmenbedingungen traten am 21. Juni 2017 mit dem Gesetz zum automatisierten Fahren in Kraft. Seitdem können automatisierte Systeme Fahraufgaben unter bestimmten Voraussetzungen übernehmen, ein Fahrer ist aber weiterhin notwendig.

Das soll sich nun ändern. Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung befasst sich mit dem vollautomatisierten Fahren (Stufe 4). In dieser Stufe wird das System nicht mehr durch einen physisch anwesenden Fahrer überwacht, es übernimmt vielmehr eigenständig die komplette Fahrzeugführung. Eine technische Aufsicht durch eine von außen handelnde natürliche Person (etwa aus einem Kontrollzentrum) bleibt aber erforderlich.

Von dem Gesetz ausdrücklich nicht erfasst, auch wenn es mitunter vom autonomen Fahren spricht, ist das gänzlich autonome Fahren der Stufe 5. Auf dieser Stufe bewegt sich das Fahrzeug wie auf Stufe 4 fahrerlos, bedarf jedoch keinerlei Überwachung mehr.

Vielzahl von Einsatzszenarien in festgelegten Betriebsbereichen

Der Betrieb führerloser Kraftfahrzeuge soll im örtlich und räumlich vorher festgelegten öffentlichen Straßenraum erfolgen. Die Betriebsbereiche werden dabei nicht zuvor abschließend durch Gesetz, sondern durch den Halter des Fahrzeuges bestimmt und durch die zuständige Landesbehörde genehmigt. Als mögliche Einsatzbereiche im Blick hat die Bundesregierung laut Gesetzesentwurf unter anderem fahrerlose Fahrgasttransportsysteme für kurze Strecken (People-Mover) sowie den Transport von Gütern, etwa von einer Produktionsstätte zu Verteilerzentren (Hub2Hub-Verkehr). Aber auch die Post- oder Dokumentenverteilung zwischen verschiedenen Standorten durch führerlose Kraftfahrzeuge ist denkbar.

Anforderungen an Fahrzeuge und Akteure

Der Gesetzesentwurf sieht eine umfassende Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) vor. Dabei sollen einerseits die technischen Anforderungen an die automatisierten Fahrzeuge normiert werden. Zudem sollen Pflichten der verschiedenen Akteure, die an Herstellung und Betrieb der Fahrzeuge beteiligt sind, festgeschrieben werden. Da ein physisch anwesender Fahrer nicht mehr notwendig ist, setzt das Gesetz eine technische Aufsicht von außen durch eine natürliche Person voraus. Diese muss die Fahrzeuge nicht ständig überwachen, aber jederzeit zur Deaktivierung der Fahrzeuge oder Freigabe von Fahrmanövern bereit sein.

Die Hersteller sollen insbesondere verpflichtet werden, eine stets sichere Funkverbindung nachzuweisen und sicherzustellen, dass diese vor unerlaubtem Zugriff geschützt ist. Zudem müssen die Fahrzeuge in der Lage sein, die Verkehrsvorschriften selbstständig einzuhalten und über Systeme der Unfallvermeidung zu verfügen. Diese Systeme müssen auf Schadensvermeidung und Schadensreduzierung ausgelegt sein.

In Fällen, in denen eine Schädigung unvermeidbar ist, hat die Bundesregierung Rahmenvorgaben getroffen, wie in sogenannten Dilemma-Situationen zu verfahren ist. Dabei wurden den wesentlichen Feststellungen der Ethik-Kommission Rechnung getragen und die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine solche gesetzliche Regelung berücksichtigt. Hierbei ist in erster Linie die Menschenwürdegarantie aus Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz (GG) sowie das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gemäß Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 GG zu beachten. Daraus ergibt sich, dass im Falle einer unvermeidbaren Schädigung der Schutz des menschlichen Lebens die höchste Priorität besitzt. Bei einer unvermeidbaren alternativen Gefährdung von Menschenleben darf das System keine weitere Gewichtung anhand persönlicher Merkmale, etwa dem Alter, dem Geschlecht oder der körperlichen oder geistigen Konstitution vorsehen.

Zum Schutz der Insassen sowie der anderen Verkehrsteilnehmer muss das automatisierte Fahrzeug zudem bei Auftreten von Gefahrsituationen in der Lage sein, sich selbstständig in einen risikominimalen Zustand zu versetzen und sich gegebenenfalls an einer möglichst sicheren Stelle zum Stillstand zu bringen. Etwa dann, wenn eine technische Störung auftritt, die die Ausübung der autonomen Fahrfunktion beeinträchtigt oder die Fortsetzung der Fahrt nur durch eine Verletzung des Straßenverkehrsrechts möglich wäre. Risikominimal ist dabei ein Zustand, der größtmögliche Straßenverkehrssicherheit bedeutet.

Weitere Anforderungen an die technische Ausstattung, die Datenspeicherung und die Betriebssicherheit des Fahrzeugs sollen auf der Grundlage einer oder mehrerer vom BMVI zu erlassenden Verordnung(en) näher geregelt werden.

Streit um den Datenschutz

Innerhalb der Regierung weiterhin umstritten sind die Regelungen zum Datenschutz. Mit dem Gesetz soll der Halter verpflichtet werden, eine Vielzahl von Informationen zu speichern. Diese sollen verschiedenen Behörden übermittelt werden. Wem diese Daten zu welchem Zweck zur Verfügung gestellt werden müssen, ist weiterhin Gegenstand heftiger Diskussionen. Einen vorherigen Entwurf des Gesetzes hat das Bundesjustizministerium abgelehnt, weil sensible personenbezogene Daten dem Bundeskriminalamt und dem Verfassungsschutz hätten zugeleitet werden können. Eine solche Regelung sieht der neue Entwurf nicht mehr vor. Es erscheint dennoch wahrscheinlich, dass sich im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens beim Datenschutz noch Änderungen ergeben werden.

Fazit und Ausblick

Andreas Scheuer strebt für Deutschland nichts Geringeres als die Weltspitze beim autonomen Fahren an. Tatsächlich wäre Deutschland das erste Land der Welt, das einen Rechtsrahmen für vollautomatisiertes Fahren schafft. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, begrüßt den Gesetzesentwurf: „Dass die Bundesregierung jetzt den Weg für den Einstieg in das autonome Fahren frei macht, ist gut für den Standort Deutschland.“ Fraglich bleibt, ob bis zum Jahr 2022 Fahrzeuge mit autonomen Fahrfunktionen im Regelbetrieb für den normalen Verkehr zugelassen werden. Peter Liggesmeyer, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern, hält eine solche Annahme jedenfalls für völlig irrational, da sie nicht dem Status quo der Technik entspreche.

Thomas Voland ist Rechtsanwalt und Partner bei Clifford Chance Deutschland LLP. (Foto: Clifford Chance)
Hochintelligente Systeme ermöglichen einen immer höheren Grad der Automatisierung. © Continental AG