Linksabbieger haben es schwerer

Linksabbieger

Komplexer Vorgang: Übung macht den Linksabbieger … © DEGENER Lehrbuch S. 9-16

Wer nach links abbiegen will, muss, auch wenn er es deutlich und rechtzeitig angekündigt hat, in den meisten Fällen damit rechnen, dass er gerade von einem Anderen „überholt“ wird, erklärt Rechtsanwalt Frank Brüne: „Grundsätzlich besteht im Straßenverkehr eine Verpflichtung zur doppelten Vergewisserung, dass man beim Linksabbiegen nicht von einem anderen Fahrzeug überholt wird. Diese sogenannte „doppelte Rückschaupflicht“ ist auch in der StVO in § 9 Abs. 1 Satz 4 geregelt“ (www.anwalt.de).

Wörtlich lautet der zitierte Satz der Straßenverkehrsordnung: „Vor dem Einordnen und nochmals vor dem Abbiegen ist auf den nachfolgenden Verkehr zu achten; vor dem Abbiegen ist es dann nicht nötig, wenn eine Gefährdung nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist“ (§ 9 Abs. 1 Satz 4 StVO). Im Gegensatz zur weitläufigen Überzeugung, dass diese Regelung immer gilt, zeige ein Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt aber durchaus Ausnahmen auf, in denen man nach Ansicht der Richter von der Verpflichtung befreit sein könne.

„Im vorliegenden Fall befuhr die Beklagte mit ihrem Pkw eine Straße und wollte sodann links auf einen Parkplatz abbiegen. Sie setzte den Blinker links und reduzierte ihre Geschwindigkeit deutlich. Dann bog sie links ab und kollidierte mit dem PKW des Klägers, der im Begriff war, das deutlich langsamere Fahrzeug der Beklagten zu überholen.“
Grundsätzlich fordere die „doppelte Rückschaupflicht“, gleich zweimal während eines Abbiegevorgangs auf den nachfolgenden Verkehr zu achten – einmal rechtzeitig vor dem Einordnen und noch einmal unmittelbar vor dem Abbiegen. Wer das als Abbiegender unterlasse, den treffe im Falle eines Unfalls zumindest eine Mithaftungsquote. Hier aber greift die Ausnahme: „Im Sachverhalt vor dem OLG Frankfurt überholte der Kläger an einer Stelle, an welcher ein Überholverbot galt, das durch das entsprechende Verkehrszeichen ausgeschildert war. Das Gericht urteilte, dass die Beklagte in dieser besonderen Situation von der Verpflichtung zur doppelten Rückschau befreit war, da sie dort nicht mit einem Überholen rechnen musste. So muss der Überholende hier ausnahmsweise alleine die gesamten Kosten tragen“.

Insgesamt sei es „ratsam, beim Abbiegen besonders auf den rückwärtigen Verkehr zu achten und der Verpflichtung zur doppelten Rückschau nachzukommen. Denn ein Blick zu wenig beim Abbiegen kann bei einem dadurch (zumindest teilweise) verschuldeten Unfall schnell dazu führen, dass man selber einen Anteil an der Haftungsquote zu tragen hat“, rät der Fachanwalt für Verkehrsrecht.

DiH (Redaktion)