Standortdebatte und „milde“ Empfehlungen

Standortdebatte und „milde“ Empfehlungen

Die diesjährigen Empfehlungen des Verkehrsgerichtstages Goslar (VGT) erinnern ein wenig an schwierige politische Koalitionsverhandlungen und das Bemühen, Kompromisse zu finden, die allen Interessen gerecht werden. So ergab sich erst aus der intensiven Diskussion der unterschiedlichen Fachleute vor Ort die Empfehlung, „der Gesetzgeber sollte klar zwischen hochautomatisierten und vollautomatisierten Fahrfunktionen unterscheiden.“ Dann sei es vertretbar, zum Beispiel das gerade erst verschärfte Handyverbot für den hochautomatisierten Fahrbetrieb zu überarbeiten (Arbeitskreis II) – wenn auch angesichts der Reifestufe der Automaten vielleicht ein wenig verfrüht.

Auch die Ablehnung einer pauschalen Erhöhung der Bußgeldsätze weist in diese Richtung. Zwar befürwortet Arbeitskreis VI (Sanktionen bei Verkehrsverstößen) eine „spürbare Anhebung der Geldbußen“ und die „verstärkte Androhung von Fahrverboten“. Aber: Gelten sollen sie für „besonders verkehrssicherheitsrelevante Verfehlungen (namentlich Geschwindigkeits-, Abstands- oder Überholverstöße) unter Berücksichtigung des jeweiligen Gefährdungspotentials und der Verkehrssituation“. Unterm Strich solle die Verkehrsüberwachung bundesweit harmonisiert und effektiver werden – ohne dabei jedoch den Eindruck von „Abzocke“ zu wecken.

Als ähnlich unentschlossen erweisen sich die Empfehlungen des Arbeitskreises III (Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort), der sich für eine „bessere Verständlichkeit des § 142 StGB“ ausspricht, „insbesondere durch eine Begrenzung des Unfallbegriffs auf Fortbewegungsvorgänge und eine Präzisierung der Wartezeit bei Unfällen mit Sachschäden bei einer telefonischen Meldung, etwa bei einer einzurichtenden neutralen Meldestelle“. Während sich die Überwiegende Mehrheit des Arbeitskreises zudem für mehr „Möglichkeiten der Strafmilderung oder des Absehens von Strafe bei tätiger Reue“ ausspricht, stimmt nur eine knappe Mehrheit dafür, „dass das unerlaubte Entfernen vom Unfallort bei Sachschäden nicht mehr im Regelfall zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis führt“. Da bleibt dem Gesetzgeber – ganz ähnlich wie zu den Ergebnissen im Arbeitskreis V (Cannabiskonsum und Fahreignung) – noch viel Diskussionsspielraum. Sicher ist: Goslar bleibt auch 2019 Tagungsort des Verkehrsgerichtstages und kann sich dann mit seinem ganzen Charme dafür empfehlen, dauerhaft Heimatort der Marke VGT zu bleiben.

Nachzulesen sind die Empfehlungen aller acht Arbeitskreise auf der Webseite des Verkehrsgerichtstages.

DiH (Redaktion)

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40 Jahre Grünpfeil: Glanzloses Jubiläum eines Blechschildes

40 Jahre Grünpfeil: Glanzloses Jubiläum eines Blechschildes

Grünpfeilschild_AmpelpfeilDer Grünpfeil – nicht zu verwechseln mit dem Grünen Pfeil in einer Ampelanlage – ist laut Verkehrswacht „ein Ergänzungsschild an einer Ampel, das dazu dient, Fahrzeugen, die an einer Kreuzung nach rechts abbiegen möchten, die Wartezeit zu verkürzen, auch wenn die Ampel auf Rot steht.“ Auch im aktuellen Verkehrszeichenkatalog (Stand: Mai 2017) nimmt das Zeichen noch eine Sonderstellung ein und wird in einem eigenen Abschnitt als einziges Zeichen aufgeführt: „Sonstige Zeichen der StVO: Nr. 720 – Grünpfeilschild“.

Die Straßenverkehrsordnung beschreibt das Verhalten am Pfeil so: „Nach dem Anhalten ist das Abbiegen nach rechts auch bei Rot erlaubt, wenn rechts neben dem Lichtzeichen Rot ein Schild mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) angebracht ist.“ (§ 37 Wechsellichtzeichen, Dauerlichtzeichen und Grünpfeil, StVO).*

Siegfried Brockmann (GDV) weist darauf hin, dass es „allerdings keine Pflicht gibt, den Pfeil zu benutzen. Wer möchte, kann ihn einfach ignorieren und auf grünes Ampellicht warten. Wer rechts abbiegt, ohne vorher an der Haltelinie das Fahrzeug komplett zum Stehen zu bringen, wird mit einem Punkt in Flensburg und einer Geldbuße von 70 EUR bestraft. Gefährdet man beim Abbiegen andere Verkehrsteilnehmer, erhöht sich das Bußgeld sogar auf bis zu 150 EUR, bei einem Unfall sogar auf bis zu 180 Euro.“

Die Verbreitung des Grünpfeils ist unterschiedlich, manchmal widersprüchlich. So berichtet die Autobild im März 2014: „Hamburg war im Jahr 2002 mit mehr als 360 Schildern noch die Hauptstadt des Grünpfeils in der Bundesrepublik. Doch auch dort wurden schon 171 wieder abgeschraubt. Als Hauptgrund nennt die Innenbehörde jedoch nicht gestiegene Unfallzahlen, sondern die zunehmende Einführung verkehrsabhängiger Steuerungen in den Ampelanlagen. Die Schilder müssten zudem aus Sicherheitsgründen abgebaut werden, weil immer mehr Ampelanlagen mit Signalen für Sehbehinderte ausgestattet werden.“ Kurios mutet auch eine Meldung in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung (HAZ) an: „Der einzige grüne Pfeil in Barsinghausen ist Geschichte: Wegen häufiger Unfälle hat die Stadt den Rechtsabbiegerpfeil an der Kreuzung Hannoversche Straße/Siegfried-Lehmann-Straße gestern abbauen lassen.“ Grund für den Abbau seien erhöhte Unfallzahlen – und das trotz eines beachtlichen Zusatz-Schildes, auf dem das Verhalten am Grünpfeil in allen Einzelheiten erklärt wurde … Sehenswert!

* In vollem Wortlaut bestimmt die Straßenverkehrsordnung: „Nach dem Anhalten ist das Abbiegen nach rechts auch bei Rot erlaubt, wenn rechts neben dem Lichtzeichen Rot ein Schild mit grünem Pfeil auf schwarzem Grund (Grünpfeil) angebracht ist. Wer ein Fahrzeug führt, darf nur aus dem rechten Fahrstreifen abbiegen. Dabei muss man sich so verhalten, dass eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer, insbesondere des Fußgänger- und Fahrzeugverkehrs der freigegebenen Verkehrsrichtung, ausgeschlossen ist.“
Das bedeutet also, der „Grünpfeil“ darf nur genutzt von Fahrzeugen werden, die im rechten Fahrstreifen eingeordnet sind: „Er darf also nicht mehr genutzt werden, wenn der rechte Fahrstreifen zugeparkt ist, und der Abbieger im zweiten Fahrstreifen eingeordnet ist. Dies ist zumindest in Berlin ein sehr häufiger Verstoß.“
Wir danken Peter Bergkessel (Fahrschule Bergkessel, Berlin) für diesen Hinweis.

 

DiH (Redaktion)

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Willkommen 2018!

Willkommen 2018!

VerkehrsgerichtstagEs hat schon Tradition, dass der Verkehrsgerichtstag in Goslar gleich zu Jahresbeginn einige wichtige Themen in die Diskussion bringt, die die Verkehrspolitik betreffen – und manches Mal bestimmte Entwicklungen prägen können. Verkehrsexperten aus allen Bereichen, Anwälte, Fahrlehrer, Polizisten, Richter und Vertreter von Automobilklubs sowie anderen Verbänden treffen sich hier zum friedlichen Gedanken- und manchmal auch zum heftigeren Argumente-Austausch.

Neben den bereits ausgebuchten Arbeitskreisen V, VI und VII laden die Arbeitskreise III, II und I noch zum Mitreden ein. Hier geht es zum Beispiel um Forderungen privater Inkassobüros und von Anwälten aus Verkehrs- und Mautverstößen im Ausland. Hohe Inkassogebühren, Androhungen drastischer Sanktionen und unklare Abwehrmöglichkeiten sorgen für erhebliche Verunsicherung bei den Betroffenen (AK I). Oder die zivilrechtlichen Fragen zum Thema Automatisiertes Fahren, das zum Neujahrstag sogar Einzug in die ARD-Krimiserie Tatort gefunden hat: Wer haftet, wenn ein hochautomatisiertes Fahrzeug am Unfall beteiligt ist? Welchen Zugriff auf die unverfälschten Daten über den Betrieb der am Unfall beteiligten Fahrzeuge hat der Fahrer, wenn er ihrer bedarf (AK II)? Und, nicht zuletzt, die Frage, ob der Tatbestand „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ im Handyzeitalter noch zeitgemäß ist (AK III): Das Unerlaubte Entfernen vom Unfallort zieht strafrechtliche und versicherungsrechtliche Konsequenzen nach sich. Der Straftatbestand des § 142 StGB stammt aus dem Jahr 1975 – einer kommunikationstechnischen Steinzeit. Ist es Zeit für eine Reform? Wer sich engagieren und mitreden möchte, kann das jetzt noch tun – ansonsten werden selbstverständlich wir Sie über die Empfehlungen der Arbeitskreise und sonstige zu erwartende Entwicklungen gern auf dem Laufenden halten. Willkommen im Jahr 2018!

DiH (Redaktion)

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Assistenzsysteme sind (noch) keine „Auto-Piloten“

Assistenzsysteme sind (noch) keine „Auto-Piloten“

Widrige Witterung erschwert auch die Arbeit der „Assistenten“. © DEGENER

Widrige Witterung erschwert auch die Arbeit der „Assistenten“. © DEGENER

„Der Winter bringt in Zusammenhang mit Fahrerassistenzsystemen neue Herausforderungen. So können Schmutz, Eis und Schnee die Kameras und andere Sensoren stören oder gar ihre Funktion komplett verhindern.“ Darauf weisen TÜV SÜD-Fachleute hin und geben Tipps für die „freie Sicht“ der Sensoren. Denn nicht nur für die eigene Rundumsicht sei das Fahrzeug im Winter von Schnee und Eis zu befreien: „Moderne Autos beobachten über Fahrerassistenzsysteme aber auch selbst das Verkehrsumfeld“, sagt Eberhard Lang von TÜV SÜD. „Das geschieht über Kameras, Radar und andere Sensoren, die von winterlichen Bedingungen ebenfalls betroffen sein können. Auch die ‚Augen‘ dieser Systeme sollten deshalb frei von Eis, Schnee und besonders auch Schmutz sein“, betont der Experte mit Verweis auf die Straßenverkehrsordnung („Wer ein Fahrzeug führt, ist dafür verantwortlich, dass seine Sicht und das Gehör nicht durch die Besetzung, Tiere, die Ladung, Geräte oder den Zustand des Fahrzeugs beeinträchtigt werden.“ § 23 StVO).

Glücklicherweise werden aber auch die Assistenzsysteme automatisch überwacht. Entsprechend meldet eine Warnleuchte dem Fahrer, wenn auf bestimmte Systeme zurzeit kein Verlass ist. Als Beispiele nennen die TÜV Experten einen plötzlich in Hektik verfallenden Regensensor. Er sitzt meist da, wo die Wischer nicht hinkommen, „im oberen Teil der Windschutzscheibe, vor dem Innenspiegel“: Hier müssen Eis und Schnee dann von Hand entfernt werden, um die „Irritation“ zu beseitigen. Gerade kameraunterstützte Systeme wie Abstands-, Rückfahr- und Spurhalteassistenten sollten jetzt kritisch beäugt werden. Aber auch andere Systeme können jetzt etwas schwächeln, wenn sich zuviel Dreck am Fahrzeug festsetzt. „Sehr viele Autos sind mit einer Einparkhilfe ausgerüstet, die mit Ultraschall arbeitet. Eine dickere Eis- oder Schneeschicht verfälscht die Abstandsmessung leicht. Glücklicherweise wird aus physikalischen Gründen ein zu kleiner Abstand gemeldet, so dass daraus keine Gefahr für Parkschäden erwächst.“ Zudem sei die Abweichung nicht so groß, sondern etwa in der Größenordnung von zehn Zentimetern, weiß Eberhard Lang vom TÜV SÜD.

Wichtig ist es, die Meldungen der Systeme ernst zu nehmen: Blinkt z. B. die ESP-Leuchte auf, weil das System eingreift, könnte das an einer dem Untergrund nicht angemessenen Fahrweise liegen. Und sollte z. B. der „Front Assist“ einmal nicht erwartungsgemäß funktionieren oder mehrfach unerwünscht auslösen, folgen Sie dem Rat Ihrer Betriebsanleitung: „Der Radarsensor ist verschmutzt. Radarsensor reinigen ⇒ Fahrzeugpflege .“

DiH (Redaktion)

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Fahrsicherheit von Senioren stärken

Fahrsicherheit von Senioren stärken

Mit einem neuen Angebot für Senioren versucht das Rote Kreuz in Lauf (Bayern) Senioren im täglichen Straßenverkehr sicherer zu machen. Ganz im Sinne des Verkehrsgerichtstages, der Anfang 2017 eine so genannte „Rückmeldefahrt“ vorgeschlagen hat. Denn auch viele ältere Menschen sind auf die Mobilität mit dem Pkw angewiesen.
Neben Informationen zu den im Laufe der Zeit geänderten oder neuen Verkehrsregeln und den Einsatzmöglichkeiten von Assistenzsystemen ging es in dem überschaubaren Seminar um das praktische Fahrverhalten. Dazu hatte sich Markus Deyhle vom Bayerischen Roten Kreuz (BRK) Nürnberger Land Fahrlehrer Dennis Hoppe und Tatjana Contzen, Pädagogische Leiterin der VK Contzen GmbH, das eigentlich Fahrlehrer ausbildet, sowie einen DEGENER 360° simdrive Fahrsimulator zur Verstärkung geholt.
In der kleinen Gruppe mit Teilnehmern über 65 Jahren wurden in intensiven Gesprächen tägliche Fahr-Erfahrungen ausgetauscht, Verkehrsregeln besprochen und Fahrerassistenzsysteme vorgestellt.
Daneben gab es Gelegenheit, den Umgang mit ungewohnten bzw. schwierigen Situationen mit einer Fahrt im Fahrsimulator auf die Probe zu stellen. Den Höhepunkt bildete eine praktische Fahrt im eigenen Fahrzeug, mit dem Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz.
Ausdrücklich keine Prüfungsfahrt, sondern eine Fahrt durch die alltäglichen Tücken im Straßenverkehr. Hier werden die Teilnehmer nicht auf ihre allgemeine Fahrtauglichkeit oder Reaktionsfähigkeit geprüft, sondern sie erhalten Hinweise, wie sie sich sicherer durch schwierige Situationen manövrieren. Sei es, wenn es um das Verhalten vor plötzlich auf Gelb umschaltenden Ampeln geht oder um das Auffahren auf eine Autobahn.
Ziel sei es, dass die Senioren länger, aber auch sicher mobil bleiben. Dazu gehören Tipps zu Verhaltens- und Fahrstrategien, die auf Methoden aufmerksam machen, wie man mit eigenen Schwächen umgehen kann. „Prävention statt Verunsicherung“, fasst Hoppe sein Motto zusammen. Nach diesem ersten Versuch sieht Markus Deyhle vom BRK Nürnberger Land im Zusammenspiel von Simulator, Fahrlehrer, Dozenten und dem Roten Kreuz ein brauchbares Modell mit dem Potenzial für ein regelmäßiges Kursangebot zur Stärkung der Fahrsicherheit von Senioren.
Ähnliche Seminare für Senioren bieten Fahrschulen bereits in Kooperation mit Landesverkehrswachten, dem DVR oder Automobilclubs an.
Möglicherweise in Zukunft sogar mit politischer Unterstützung, denn am Ende der Verkehrsgerichtstag-Empfehlungen 2017 werden „die älteren Kraftfahrer aufgerufen, in Eigenverantwortung jederzeit zu prüfen, ob und wie sie auf eventuelle Einschränkungen ihrer Fahreignung angemessen reagieren müssen. (…) Falls sich herausstellt, dass solche Instrumente auf freiwilliger Basis nur unzureichend in Anspruch genommen werden, ist die Teilnahme obligatorisch zu machen.“

DiH (Redaktion)

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