Die schlechten wollen die besten sein

Die schlechten wollen die besten sein

Dunning-Kruger-EffektEs scheint ein weltweites Phänomen zu sein, dass sich ausgerechnet die schlechtesten Autofahrer für souverän und sicher halten. Der TÜV NORD* hat unterschiedliche Studien in verschiedenen Ländern verglichen: „Bereits 1989 beobachteten Psychologinnen der Universität Warschau, dass Befragte in Polen, Schweden und den USA ihre eigenen Fahrkünste systematisch überbewerteten. Besonders Neulinge am Steuer sehen sich selbst in einem allzu rosigem Licht, stellten finnische Verkehrspsychologen fest. Sie hatten mehr als 2700 Prüflinge direkt vor der Führerscheinprüfung um eine Selbsteinschätzung gebeten. 30 bis 40 Prozent meinten besser zu fahren, als die Prüfer ihnen kurz darauf bescheinigten. Am meisten überschätzten sich ausgerechnet jene, die bei der Prüfung durchfielen.“ Und, weiter im Trend: „Für eine Studie in der Türkei wurden mehr als 150 Männer auf einer gut einstündigen Fahrt begleitet und sollten sich danach selbst beurteilen. 95 Prozent hielten ihre Fahrkünste für besser, als sie laut Meinung der Beobachter waren. Besonders realitätsfern war die Selbstwahrnehmung bei jenen, die unsicher fuhren oder häufig gegen Regeln verstießen.“

Woher kommt diese Fehleinschätzung und was kann man dagegen unternehmen? Offenbar kommt hier der nach den Psychologen Justin Kruger und David Dunning von der Cornell University benannte ‚Dunning-Kruger-Effekt‘ zum Tragen: „Je weniger man sich auf einem Gebiet auskennt, desto schlechter erkennt man dieses Unvermögen.“ – Die hohe gesellschaftliche Wertschätzung verstärke den Effekt beim Autofahren besonders: Jeder möchte gern als kompetent, autonom und erwachsen angesehen werden: Also behauptet man einfach, dem zu entsprechen.

Man könne die Menschen aber nicht einfach in ihrem Irrglauben lassen, erklärt der Psychologe Kalendruschat vom TÜV NORD, denn Selbstüberschätzung steigere die Risikobereitschaft. Die amerikanischen Forscher setzen auf intensive Aufklärung, wie Dunning und Kruger resümierten: „Damit Menschen ihr Unvermögen erkennen, müssten sie kompetenter werden. Ein Paradoxon, wie sie selbst sagen.“ Der TÜV-Experte möchte eher die Einsicht fördern, dass in vielen kritischen Situationen auch die besten Fahrkünste nichts mehr helfen: „Wer sich das bewusst macht, fährt vorsichtig und vorausschauend.“

[*TÜV NORD]

DiH (Redaktion)

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Themen der Woche: Staus in den Städten und Fahrprüfungsversagen

Themen der Woche: Staus in den Städten und Fahrprüfungsversagen

Klappt immer seltener im ersten Anlauf: Der Fahrerlaubniserwerb. © DEGENER

Klappt immer seltener im ersten Anlauf: Der Fahrerlaubniserwerb. © DEGENER

„Ohne triftigen Grund dürfen Kraftfahrzeuge nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern“ (§ 3, Abs. 2, StVO). Die hohe Verkehrsdichte in den Städten zu den Hauptverkehrszeiten, mit Pkw-Pendlern, Lieferfahrzeugen, Lkw, Bussen, Bahnen und Rad Fahrenden sowie die teils unübersichtlichen Situationen im mehrspurigen Innenstadtverkehr, inklusive Busfahr– und Radverkehrsstreifen sowie Ampeln und Fußgänger­überwege bietet allzu häufig Gründe fürs langsame Fahren – das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Nerven.

Da liegt es auf der Hand, auch in diesem Umstand einen Grund zu suchen für die auffallend hohe Zahl an Fahrschülern, die ihre Fahrprüfung nicht im ersten Anlauf bestehen. Medienberichten zufolge scheitern offenbar immer mehr Fahrschüler beim Versuch, die Fahrerlaubnis zu erlangen – nicht nur in der Theorie-, sondern auch in der praktischen Prüfung. Die Nichtbestehens-Quote ist 2017 „erneut angestiegen. Laut Kraftfahrtbundesamt (KBA) scheiterten 39 Prozent aller Fahranfänger an der Theorie. In der praktischen Prüfung fielen 32 Prozent aller Anwärter durch. Damit setzt sich der Trend der vergangenen Jahre fort“, berichtet z. B. die Tagesschau***. Fachleute vermuten den Berichten zufolge unter anderem eine komplexere Verkehrssituation als Ursache, haben aber noch keine eindeutigen Antworten. „Wir stochern noch etwas im Nebel“, wird Hendrik Pistor, Referatsleiter für junge Kraftfahrer beim Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR), zitiert.

In Bezug auf die Theorieprüfung sei die Tatsache, „dass bei manchen Führerscheinanwärtern die Prüfung an mangelnden Deutschkenntnissen scheitern könnte“, eine mögliche Erklärung. Dazu komme höhere Komplexität auch im Theoretischen, z. B. in Form von Video-Fragen.

Forscher der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wollen den Zahlen zu nicht bestandenen Prüfungen nun auf den Grund gehen. Dabei geht es laut Westfalenpost**** unter anderem darum, inwiefern Angst vor dem Straßenverkehr oder Versagensangst vor der Prüfung an sich oder ein ausgeprägteres digitales Interesse (Handy-Ablenkung) eine Rolle spielt, oder auch der Leistungsdruck angesichts der hohen Führerscheinkosten. – Interessant ist dabei sicher auch die Antwort auf die Frage, ob auffällige Unterschiede zum Prüfungsversagen im Vergleich Stadt – Land festzustellen sind. Wir sind gespannt.

DiH (Redaktion)

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5 Millionen in 4 Tagen – noch freie Plätze in BW

5 Millionen in 4 Tagen – noch freie Plätze in BW

Großes Interesse bestätigt Förderprogramm

Großes Interesse bestätigt Förderprogramm

Mit der Förderrichtlinie für die Ausrüstung von Kraftfahrzeugen mit Abbiegeassistenzsystemen hat das Bundes-Verkehrsministerium offenbar einen Nachrüstungs-Boom ausgelöst: „Förderfähige Kraftfahrzeuge im Sinne dieser Richtlinie sind Nutzfahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse von mehr als 3,5 Tonnen und Kraftomnibusse mit mehr als neun Sitzplätzen einschließlich Fahrersitzplatz, die im Inland für die Ausübung gewerblicher, freiberuflicher, gemeinnütziger oder öffentlich-rechtlicher Tätigkeit angeschafft und betrieben werden.“

Den 1.500 Euro Zuschuss pro Maßnahme sicherten sich bereits so viele Antragsteller, dass das Jahres-Volumen von 5 Millionen Euro bereits nach vier Tagen verbraucht ist (Bundesamt für Güterverkehr).

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) fordert in diesem Zusammenhang bereits für mehr Sicherheit von Radfahrern und Fußgängern eine Aufstockung der Mittel, um möglichst viele Fahrzeuge noch in diesem Jahr mit dem System auszustatten.

Unterdessen melden das Verkehrsministerium Baden-Württemberg und der Verband Spedition und Logistik Baden-Württemberg (VSL) im Zusammenhang mit der Verbreitung von Abbiegeassistenzsystemen noch freie Plätze – allerdings nur für Unternehmer mit Sitz in Baden-Württemberg. Es handelt sich laut Minister Herrmann um einen Feldversuch, in dem unterschiedliche nachrüstbare Assistenzsysteme im Realbetrieb auf ihre Tauglichkeit zur flächendeckenden Einführung getestet werden sollen (Ministerium für Verkehr, Baden-Württemberg).

Dort sind laut DEKRA noch etwa 150 Plätze zu besetzen: „Insgesamt 500 Fahrzeuge sollen dazu mit Abbiegeassistenzsystemen ausgestattet werden. Gefördert wird der Feldversuch vom baden-württembergischen Ministerium für Verkehr, das dafür 500.000 Euro zur Verfügung stellt. Die Gesamtkosten belaufen sich voraussichtlich auf 670.000 Euro“ (DEKRA). – Während der Feldversuch in Baden-Württemberg das Tempo verlangsamt und im Realbetrieb die technisch bestmögliche Umsetzung eines Abbiegeassistenten untersucht, drängt das Bundesministerium auf die schnellstmögliche Marktdurchdringung nach den im Verkehrsblatt (VkBl. 2018 S. 719) festgelegten technischen Vorgaben für Assistenzsysteme. Sowohl in der EU als auch bei der Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) setzt sich das BMVI mit Nachdruck dafür ein, dass Abbiegeassistenzsysteme europaweit vorgeschrieben werden.

DiH (Redaktion)

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Keine Frauenparkplätze in der StVO

Keine Frauenparkplätze in der StVO

Beispiel für neue Beschilderung. © DEGENER

Beispiel für neue Beschilderung.
© DEGENER

Obwohl das Gericht kein Urteil sprechen musste, hat der Kläger gegen Frauenparkplätze in Eichstätt ein Thema öffentlich gemacht, das durchaus Nachwirkungen auch in anderen Gemeinden haben könnte. Denn durch den Prozess vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht München* wurde immerhin klargestellt: Auf öffentlichen Plätzen dürfen nur die in der Straßenverkehrsordnung (StVO) abgebildeten Verkehrszeichen verwendet werden.

Ein blaues Schild „Parkplatz – Nur für Frauen“ ist darin aber nicht vorgesehen. Eine solche Ausgestaltung erweckt einen falschen Anschein und muss ersetzt werden. So lautet das Ergebnis einer Verhandlung, die wegen anscheinender Diskriminierung begann und mit einem Verwaltungsakt endet. Zum Abschluss steht fest: Die Stadt wird die Frauenparkplätze an der Stelle behalten, aber die Schilder bis spätestens Ende Februar 2019 durch StVO-konforme ersetzen (vgl. Abbildung), die lediglich eine Empfehlung oder Bitte für das Parken nur durch Frauen aussprechen*.

Immerhin hatte die Stadt die Frauenparkplätze beschildert, nachdem Anfang 2016 eine den öffentlichen Parkplatz nutzende Frau Opfer eines Gewaltdelikts geworden ist. Beim Bundesverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (BFF) betont man entsprechend die Bedeutung von Frauenparkplätzen, berichtet Tobias Lill und resümiert: „Würde der Gesetzgeber die Straßenverkehrsordnung ändern, wären nach Auffassung der Antidiskriminierungsstelle auch verpflichtende Frauenparkplätze im öffentlichen Raum möglich. Denn sachlich begründet dürfe vom Diskriminierungsverbot im Grundgesetz abgewichen werden. Der Umstand, dass Frauen häufiger Opfer von sexueller Gewalt werden, ist so ein Grund. Das ist dann eine Ungleichbehandlung, aber keine Diskriminierung.“ (Spiegel Online***)

Wer jetzt aber meint, er müsse Frauenparkplätze überhaupt nicht mehr ernst nehmen, der irrt gewaltig. Die Einigung vor dem Verwaltungsgericht hat keine Auswirkung auf die nicht öffentlichen Verkehrsflächen wie private Parkplätze (auch Supermärkte und private Parkhäuser): Hier dürfen spezielle Parkflächen weiterhin ausschließlich für Frauen reserviert sein. Bei entsprechender Kenntlichmachung müssen Falschparker zudem mit Konsequenzen rechnen … bis hin zum Abschleppen!

*Bayerisches Verwaltungsgericht München; **Eichstätter Kurier; ***SPIEGEL-Online

DiH (Redaktion)

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Schritt-Tempo – Fahren ohne Geschwindigkeit?

Schritt-Tempo – Fahren ohne Geschwindigkeit?

Verkehrsberuhigter Bereich: „Kinderspiele sind überall erlaubt“.

Verkehrsberuhigter Bereich: „Kinderspiele sind überall erlaubt“.

Auch wenn eine Straße den Eindruck macht, man könne darauf schnell fahren – die aufgestellten Verkehrszeichen bestimmen über die zulässige Höchstgeschwindigkeit und sind zu beachten. Das gilt auch bei einer so vagen Geschwindigkeitsangabe wie „Schrittgeschwindigkeit“. Immerhin dürfen sich in einem verkehrsberuhigten Bereich per Definition überall Menschen aufhalten. „Wer zu Fuß geht, darf die Straße in ihrer ganzen Breite benutzen; Kinderspiele sind überall erlaubt“ (Anlage zur StVO, Richtzeichen, Abschnitt 4, Verkehrsberuhigter Bereich).

Auch deshalb ließ das Oberlandesgericht (OLG) Naumburg im beschriebenen Fall die vom Amtsgericht Weißenfels angesetzte Schrittgeschwindigkeit von 15 km/h nicht gelten. Der Begriff „Schrittgeschwindigkeit“ könne nicht je nach den örtlichen Gegebenheiten unterschiedliche Bedeutung haben, sonst hätte der Gesetzgeber nicht diesen Begriff gewählt, sondern etwa die „den Umständen entsprechend ungefährliche Geschwindigkeit“ angeordnet.

Die Einwände, dass etwa Radfahrende bei Fußgängergeschwindigkeit unsicher würden und zu schwanken beginnen oder weniger als 10 km/h mittels Tacho nicht zuverlässig messbar wären, ließ das Gericht nicht gelten. Stattdessen entschied der Senat im Einklang mit einem Beschluss des OLG Hamm, dass das höchste als Schrittgeschwindigkeit bezeichnete Tempo von 10 km/h gerade noch als solche angesehen werden kann. Wer sich schneller fortbewege, gehe nicht, sondern laufe. Mit dem vom Amtsgericht Weißenfels zugrunde gelegten Tempo von 15 km/h wäre etwa ein Teilnehmer des Berlin Marathon 2016 mit einer Zeit von ca. 2 Stunden und 50 Minuten unter den besten 4 % der 35.999 Läufer, die das Ziel erreicht haben, gelandet. Eine solche Geschwindigkeit lasse sich nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit definieren.

Fazit: Bis 10 km/h kann als Schrittgeschwindigkeit gelten, das lässt sich laut Gericht auch am Auto-Tacho feststellen und mit dem Fahrzeug einhalten, und Radfahrer, die bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h unsicher werden und zu schwanken beginnen, seien offenbar volltrunken und müssen ihr Fahrrad deshalb schieben, so die Begründung des Oberlandesgerichts des Landes Sachsen-Anhalt Senat für Bußgeldsachen. [Das gilt übrigens auch für das Passieren von Bussen mit eingeschalteter Warnblinkanlage an Haltestellen!]

Für den betroffenen Fahrer bedeutet das unterm Strich: statt 1 Punkt und 100 € nun ein Regelbußgeld von 160 Euro, 2 Punkte im Fahreignungsregister (FAER) und 1 Monat Fahrverbot wegen Geschwindigkeitsübertretung von 32 km/h.

DiH (Redaktion)

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